1. |
Federn
03:49
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ein vogel setzte sich auf meine hand:
ich komme, um dir zu erzählen
wie ich vor zehn jahren im nebel verschwand
um weit, weit weg zu gehen
denn ich zählte meine federn:
zu wenig, um zu fliegen
zu dünn, um weich zu liegen
zu stumpf, um viel zu schreiben
zu grau, um im sommer hier zu bleiben
ich suchte ein fernes versteck
vor den farben der anderen vögel dort
ich lebte in dunklen, verlassenen städten
und zog immer weiter fort
ich wagte es nicht, meine schwingen zu heben
ich ging zehntausend meilen zu fuß
und ich schrieb meine zeilen in den straßenstaub
in den morgentau, in den fluss
und ich zählte meine federn:
zu wenig, um zu fliegen
zu dünn, um weich zu liegen
zu stumpf, um viel zu schreiben
zu grau, um im sommer hier zu bleiben
der vogel setzte sich auf meinen tisch:
erzähl allen von meiner geschichte
erzähl es, als wär ich dir wirklich erschienen
als würdest du es nur berichten
als wär ich nicht eigentlich ein bleigewicht
im knochenkäfig deiner rippen
und jetzt öffne die tür um einen spalt nur
und mit dem lied entfliehe ich deinen lippen
und dann zähle meine federn
ein allerletztes mal
und ich lös mich auf im nebel
wenn du sagst:
zu wenig, um zu fliegen
zu dünn, um weich zu liegen
zu stumpf, um viel zu schreiben
zu grau, um im sommer hier zu bleiben
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2. |
Golden
03:00
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vor der bäckerei heitzmann
ist es passiert
und einmal vor der beatbar genauso
und du hast gesagt:
ich weiß es doch auch nicht
und so saßen wir schweigend
am rathausplatz
doch für einen sommer
waren wir golden
golden
licht in den wäldern
und du neben mir
mit dem fahrrad durch felder
im morgengrauen nach haus
und ich hab gesagt:
ich weiß es jetzt eigentlich
ganz genau
du auch?
für einen sommer
waren wir golden
golden
bis der regen kam
brannte die sonne so warm
auf deine haut und meine
und mit den beinen in den himmel gestreckt
gingen wir über die wolken
und über welten hinweg
und dann ein tropfen auf der stirn
und wie die luft so klar war mir:
nur
für einen sommer
waren wir golden
nur für einen sommer
golden
für mich
waren wir golden
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3. |
Unter dem Efeu
03:16
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es dauert gar nicht lang
loszuwerden, was ich sagen muss:
es gab einen moment, als was zerbrach
und danach war ich wer anders
es dauert gar nicht lang
zu erklären, wo du hingehen musst:
du gehst unten am fluss entlang
quer übers feld und durch das dickicht
und dort finde mich
unter dem efeu
mit zweigen vor meinem gesicht
verrat es nicht
das ist ein geheimnis
es dauert gar nicht lang
zu erklären, wie es dazu kam
ich wollt alles vergessen und verlernen
jede spur und jedes zeichen
jedes wort, jedes gesicht
außer dem deinen
drum vergiss und verrat mich nicht
ich warte draußen in den wäldern
und dort finde mich
unter dem efeu
mit zweigen vor meinem gesicht
verrat es nicht
das ist ein geheimnis
du finde mich
unter dem efeu
die hände vor meinem gesicht
verrat es nicht
das ist ein geheimnis
es dauert gar nicht lang
zu erklären, wo du hingehen musst
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4. |
Umrisse von Bären
02:59
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ganz weit hinten
in den wäldern
zwischen bäumen
vom feuer geschwärzte felsen
wie umrisse von bären
ganz weit oben
hängen die wolken vor dem mond
zergliedert und verschoben
wie fetzen einst verwoben
und dann das dunkel dahinter
für einen moment:
wie umrisse von bären
wo ich war
fand ich spuren auf nasser erde
und wie ganz nah
schienen lichter in der ferne
und ich sah
und ich sah:
ganz weit hinten
in den bergen
was wir sind,
was wir waren,
was wir werden
wie umrisse von bären
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5. |
Mitten im Wald
03:30
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wag es nicht, nach mir zu suchen
ich bin ein baum geworden, mitten im wald
zwischen blautannen und buchen
und eulen und laub
und keiner wird mich finden
nicht einmal du
hier draußen in den wäldern
verliert sich meine spur
wag es nicht, an mich zu denken
ich bin ein traum geworden, ohne gestalt
im schatten deiner wörter und gedanken
hinter deinen schläfen
klirrten meine zweige letzte nacht
und mit fragenden augen
und schweigend
bist du heut aufgewacht
und keiner wird mich finden
nicht einmal du
hier draußen in den wäldern
verliert sich meine spur
doch als der winter kam
verschwand die welt im schnee
und unter längst erstarrten buchen
war ein noch junger baum zu sehen
und als es still wurde im wald
hob er seine wurzeln aus dem boden
um zurückzugehen
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Josias Ender Berlin, Germany
Josias Enders Musik vereint feinsinnige Texte mit kleinen und großen Melodien, vorgetragen von jungenhaftem und zugleich kratzig-sanftem Nebelgesang. Dazu erklingt eine Gitarre, die in ihrer zugewandten Melancholie eine ganz eigene Stimme erhält – und in den lauten Momenten eine Ladung akustischen Indie-Rock auf die Bühne bringt. ... more
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