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Schlafanzug im Wind

by Josias Ender

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  • Compact Disc (CD) + Digital Album

    CD steckt in einer plastikfreien Kartonverpackung, die von uns von Hand bestempelt wird, zusammen mit einem hübschen Booklet. Artwork von Grégory Coursaux und mir. Limitiert auf 33 Stück!

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1.
Abendblau 02:25
Wie hundert wilde Arme wüten Äste hinterm Fenster und stieben Aschevögel schwarz über den Abend blau. Und müde auf den Straßen sind die Lichter: Glutgespenster, die schieben leise sich und schwach in eine Nacht hinein - Bis sich die Decke legt, bestickt mit fernen Sternen, weich über alle Unruh drin und drauß. Und sich die Lider schließen, wie Taschenuhren still - nur kurz noch flackert stumm was hinterm Fenster Und geht aus.
2.
Ein Junge rennt durchs Gras, so schnell er kann, den Wolken hinterher. Deren Schatten sich bewegen wie Gespenster durchs grüne Stoppelmeer. Eine Frau etwas entfernt hebt ihren Blick und legt die Stirn in Falten und wünschte, ihre Arme wären wie Drachenschnüre lang, ihn für immer festzuhalten. Das Mädchen trägt ein Sommerkleid und schwarzes Haar, die Narbe auf dem Knie. Es ist ein später Nachmittag und ihm ist warm als er sie von weitem kommen sieht. Dann steht er scheu am Ufer und schaut ihr zu, wie sie durch das Flussbett watet. Als er ihr aus dem Wasser hilft: ein Hauch von Lucky Strikes in ihrem Atem. Und das war, bevor alles geschah. Der Ford Fiesta quält geräuschvoll sich voran in Richtung Horizont. Aus dem Radio tönt blechern und verzerrt die Stimme von Jim Morrison. Auf der Rückbank spielen zwei Hände in der Luft auf einem unsichtbaren Drumset und vorn versucht wer zu verstehen, wie man die Frankreichkarte auseinander faltet. Ein junger Mann geht ohne ein bestimmtes Ziel über das alte Flugfeld, wo bunte Drachen ihre wirren Kreise ziehen vor einem abendblauen Himmelszelt. Dann stellt er sich kurz vor, wie hier wohl einst die Flugzeuge wegflogen. Er schaut sich um und rennt dann, so schnell er kann, die Startbahn runter den Blick nach oben, die Arme weit zu Flügeln ausgebreitet, doch er schlingert, stolpert und fällt hin und reißt in jedes Hosenbein ein großes Loch und als er dann umständlich aufsteht, wie benommen, denkt er sich: endlich angekommen. Und das war, bevor alles geschah.
3.
In mir ist eine Leere, die ist größer als ein Weltmeer, doch ich stehe hier am Ufer und ich seh den Schiffen zu. In mir ist eine Liebe, die ist größer als ein Gletscher und sie kommt dir ein paar Millimeter näher jedes Jahr. Und ich vergesse, was ich gelernt hab, ich verspiel eine Handvoll Talent, ich verliere, woran ich glaube, ich steh in meinem Schlafanzug im Wind. In mir ist eine Neugier, die brennt heller als Raketen, sie erglüht ein paar Sekunden, sie sprüht Funken und geht aus. Denn in mir ist eine Trägheit, die hält mich wie ein Magnet an all den Zweifeln und den Geheimnissen unter meiner Haut. Und in mir ist eine Sehnsucht, die rennt schneller als ein Rennrad durch die Straßen und die Gassen, doch sie findet nie ihr Ziel. Denn wenn ich ehrlich bin, dann will ich eigentlich gar nirgends ankommen, damit ich immer glauben kann, dass es noch etwas Besseres irgendwo da draußen gibt. Und ich vergesse, was ich gelernt hab, ich verspiel eine Handvoll Talent, ich verliere, woran ich glaube, ich steh in meinem Schlafanzug im Wind. Und in mir liegt eine Angst begraben vor den dunkelblauen Stunden und Tagen und vor den Dingen, die vergangen sind und doch niemals vergehen. Und ich vergesse, was ich gelernt hab, ich verspiel eine Handvoll Talent, ich verliere, woran ich glaube, ich steh in meinem Schlafanzug im Wind. Ich verlasse das Haus meiner Eltern, ich hör sie sagen, du bleibst unser Kind. Aus einem Feldhasen wird eine Taube, ich steh in meinem Schlafanzug im Wind. In mir ist eine Schwere, die ist schwerer als ein Schwertwal, doch ich zieh auf seinem Rücken meine Kreise auf dem Meer.
4.
Die Welt, so wie sie ist, ist viel zu grau und so werf ich meine Wörter bunt wie Farbenkleckse auf die Wände drauf. Und die Welt ist so erstarrt und eingestaubt und so pust ich meine Träume pusteblumenmäßig in die Welt hinaus: So wie es ist, kann es nicht bleiben. Ich will Lieder über Frieden auf Kanonenrohre schreiben. Und ich wollte dir nur sagen: ich werd dich tragen, wenn du müde bist. Die Welt, so wie ist, ist so zerteilt, weil jeder Angst hat, dass wer anders ihm das bisschen Glück entreißt. Und dass sich irgendwas verändert an unseren goldenen Tellerrändern. Geh, vergrab das Tafelsilber bei der Eiche hinterm Haus. Und lauf, lauf, die Untoten stehen reihenweise auf. Lauf, denn wenn sie dich einholen, weißt du genau: das haben wir verdient. So wie es ist, kann es nicht bleiben. Ich will Lieder über Liebe auf Reklametafeln schreiben. Und ich wollte dir nur sagen: ich werd dich tragen, wenn du müde bist. Die Welt, so wie sie ist, wird untergehen, wenn wir weiter mit den Händen in den Hosentaschen rumstehen. Und wenn wir alle hier so leben, als würde es 20 Erden geben und als wär noch jede Menge Zeit. So wie es ist, kann es nicht bleiben. ich will Lieder gegen Krieg auf jede Einkaufstüte schreiben. Und ich wollte dir nur sagen: Ich werd dich tragen, wenn du müde bist. Ich werd dich tragen, wenn du müde bist. Wenn du müde bist. Wenn du müde bist.
5.
Du stehst auf einem Dach und hast die Arme gestreckt und wartest drauf, dass dich der Wind davonträgt. Es wird nicht passieren. Du sitzt in deinem Zimmer und du starrst an die Wand, denn neulich hast du in den Mustern der Tapete eine Antwort erkannt auf alle Fragen in dir. Du bist konzentriert, doch es wird nicht passieren. Und schon als Kind sagte man zu dir: Was soll nur aus dir werden? Was machen wir mit dir? Wir machen uns doch Sorgen um unser Sorgenkind. Und hältst du bitte still, bis deine Schuhe gebunden sind. Du stehst in deinem Keller vor dem rostigen Rad und du fragst das Rad, warum es nicht mehr Rad fahren mag, doch es steht nur und starrt. Und so stehst du vor dem Rad und gestikulierst und du hoffst, dass es die verzweifelten Zeichen irgendwie kapiert, doch es steht nur und stiert aus leblosen Lichtern in dein Gesicht. Und schon als Kind sagte man zu dir: Was soll nur aus dir werden? Was machen wir mit dir? Wir fragen uns doch ständig, wie man dir helfen kann. Schaffst du das denn alleine? Bleib noch an meiner Hand. Dir wird nichts passieren. Dir wird nichts passieren. Es wird nichts passieren. Es wird nicht passieren. Du stehst in deiner Küche vor dem alten Geschirr und du hoffst, dass die Bakterien die Schimmelpilze eliminieren und dich gleich mit - barfuß auf den Fliesen stehend und frierend - doch es wird nicht passieren, es wird nicht
6.
Herzemoticon 03:01
Ich schlafe ein und wache auf als Displayglas auf deinem Handy, weil ich deine Hände so mag, und wenn du dann elektronische Nachrichten schreibst, kommen wir uns näher, wir zwei. Ich schlafe ein und wache auf als Kamera in deinem Handy, weil ich deine Augen so mag, und wenn du dann ein Foto schießt von deinem Gesicht siehst du mich endlich an. Herzemoticon, Herzemoticon, Herzemoticon, gesendet, zugestellt, gelesen. Ich schlafe ein und wache auf als Mikrofon in deinem Handy, denn ich find deine Stimme so schön und immer, wenn du mit irgendwem telefonierst, dann bin ich hier und hör dir zu und denk mir, wow, du bist so klug, so klug wär ich gern auch. Herzemoticon, Herzemoticon, Herzemoticon, gesendet, zugestellt, gelesen. Ich schlafe ein und wache auf als Ladegerät von deinem Handy und du musst los, denn es ist schon spät, doch ich lieg hier, etwas versteckt unter deinem Bett. Und du wühlst dich durch das Chaos im Zimmer und du rufst, wo ist das blöde Ding nur? Und du fluchst und kniest den Tränen nahe nieder. Doch aus dem Augenwinkel siehst du mich, du ziehst mich an dich, hältst mich fest und lachst mich an und sagst: Ohne dich schaff ich's doch niemals durch den Tag. Herzemoticon, Herzemoticon, Herzemoticon, gesendet, zugestellt, gelesen. Mein Handywecker weckt mich auf, es sind null neue Nachrichten drauf und es ist alles nur ein Traum gewesen.
7.
Ich bastel mir ein Boot aus alten Briefen, die du mir einmal schriebst vor vielen Jahren. Und dann fahr ich übers Meer für eine Zeit und warte, bis die Tinte im Papier verbleicht. Ich bastel mir ein Haus aus Schachtelsätzen, die wir einst ausgetauscht in langen Nächten. Und wenn die Wolken kommen, kriech ich hinein und warte, bis der Regen die Kartonwände durchweicht. Ich fülle einen Ballon mit deinem Lachen, so wie's manchmal erklingt in meinem Kopf. Und dann schweb ich übers Land für eine Zeit und warte, bis die Luft durch einen kleinen Riss entweicht.
8.
Nur dein Atem, sonst kein Geräusch, wie wir liegen in der Dunkelheit: Himmelskörper ohne Himmelszelt. Und ohne Halt im leeren Raum. Immer weiter weg, ich seh dich kaum. Seh, was wir waren nicht, was wir sind. Wir sind gerannt auf unserem endlosen Weg, haben uns durchs Dickicht gezwängt und auf die Fresse gelegt. Haben uns in Gräben verschanzt und uns in Wäldern verirrt. Sind über Brücken gewankt, haben tiefste Flüsse durchquert. Waren außer Atem, sonst kein Geräusch.
9.
Ich packe meine Koffer, doch das meiste lass ich hier. Die alten Schuldgefühle und das Bild von dir. Das ich so lang versteckt hielt, vor mir selbst, in einer Kiste unterm Bett. Ein letzter Blick in deine Augen und dann werfe ich es weg. Ich packe meine Koffer, ich geh auf große Fahrt, ich komme nicht mehr wieder, ich möchte bleiben, wo ich noch nie war. Ich packe meine Koffer, doch das meiste lass ich stehen. Mit all dem Zeug in meinem Herzen kann ich nicht weiter gehen. Die unfrankierten Liebesbriefe, alles, was ich jemals bereut – ich fackel alles ab und lache mit dem Wind, wie er die Asche zerstreut. Ich packe meine Koffer, ich geh auf große Fahrt, ich komme nicht mehr wieder, ich möchte bleiben, wo ich noch nie war. Ich seh ein helles Leuchten, da, wo die Städte sind. Ich packe meine Koffer, bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin. Sind alle da? Ich trag euch fort mit mir, in meinen Armen dorthin, wo ich noch nie gewesen bin. Es sind Sterne zu sehen, als ich draußen steh. Und alles so still, in mir, überall. Ich wart noch einen Moment, bevor ich meine Koffer nehm und leise im Dunkel verschwind. Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.
10.
Falten 03:15
In meiner Haut sind Falten, die gehen da nie mehr raus, die werden tiefer und vermehren sich, irgendwann zehren sie mich auf. In meinem Herz sind Löcher, die krieg ich nie mehr zu, die stehen wie hundert Münder offen und fragen leise, wo bist du. Und ich drehe mich in Kreisen, ich vergrab mein Gesicht und schreibe, bis die Feder bricht. Und meine Lieder, die sind leise, denn ich trag ein Gewicht in mir, auf jeder Zeile, die ich sing. In meinem Kopf sind Bilder, die lösen sich nicht auf, die kleben wie Fototapeten an jeder Wand und ich schau drauf. Und in meinem Ohr sind Stimmen, die flüstern unentwegt und summen Abschiedslieder, wenn ich mich schlafen leg. Und ich drehe mich in Kreisen, ich vergrab mein Gesicht und schreibe, bis die Feder bricht. Und meine Lieder, die sind leise, denn ich trag ein Gewicht in mir, auf jeder Zeile, die ich sing. In meinem Knochenmark halt ich den Glauben, dass es gut wird und dass Wunden zu Augen werden, die tief hineinschauen, in eine Ewigkeit. Und wenn es nichts und niemand gibt, der uns in seinen Händen hält, stehen wir doch nebeneinander hier, als der Schein erlischt und der letzte Vorhang fällt.

credits

released November 20, 2020

Komposition & Text: Josias Ender.
Produzenten: Thomas Wosnitza & Johannes Stöckholzer.
Recording & Mixing: Thomas Wosnitza.
Mastering: Ludwig Meier, GKG Mastering.
Artwork: Grégory Coursaux & Josias Ender.
© + ℗ unserallereins.

Einen ganzen Haufen Herzemoticons an: Grégory, Thomas, Jo, Rebekka, Ludwig, Guido, Selma, Sören, meinen Bruder und meine Schwestern, meine Eltern und alle meine lieben Freunde.

Dieses Album ist Sebastian Ender und Ilse Zocher gewidmet.

Josias Ender: Stimme & Gitarren, Bass,
Orgel, Glockenspiel, Chor.

Thomas Wosnitza: Bass, Synthesizer, Effekte, Chor.

Johannes Stöckholzer: Beats, Tasten,
Percussion, Effekte, Chor.

Grégory Coursaux: Stimme bei "Abendblau",
"Lucky Strikes", "Schlafanzug im Wind", "Schachtelsätze", Pfeifen bei "Es wird nicht passieren", Chor.

Rebekka Eversmann: Stimme bei "Lucky Strikes",
"So wie ist, kann es nicht bleiben", "Herzemoticon".

Das Lied "Ich packe meine Koffer"
zitiert ein Gedicht von Thomas Brasch.

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Josias Ender Berlin, Germany

Josias Enders Musik vereint feinsinnige Texte mit kleinen und großen Melodien, vorgetragen von jungenhaftem und zugleich kratzig-sanftem Nebelgesang. Dazu erklingt eine Gitarre, die in ihrer zugewandten Melancholie eine ganz eigene Stimme erhält – und in den lauten Momenten eine Ladung akustischen Indie-Rock auf die Bühne bringt. ... more

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