1. |
Abendblau
02:25
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Wie hundert wilde Arme wüten Äste hinterm Fenster
und stieben Aschevögel schwarz
über den Abend blau.
Und müde auf den Straßen sind die Lichter: Glutgespenster,
die schieben leise sich und schwach
in eine Nacht hinein -
Bis sich die Decke legt,
bestickt mit fernen Sternen,
weich über alle Unruh drin und drauß.
Und sich die Lider schließen,
wie Taschenuhren still -
nur kurz noch flackert stumm was hinterm Fenster
Und geht aus.
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2. |
Lucky Strikes
03:19
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Ein Junge rennt durchs Gras, so schnell er kann,
den Wolken hinterher.
Deren Schatten sich bewegen wie Gespenster
durchs grüne Stoppelmeer.
Eine Frau etwas entfernt hebt ihren Blick
und legt die Stirn in Falten
und wünschte, ihre Arme wären wie Drachenschnüre lang,
ihn für immer festzuhalten.
Das Mädchen trägt ein Sommerkleid und schwarzes Haar,
die Narbe auf dem Knie.
Es ist ein später Nachmittag und ihm ist warm
als er sie von weitem kommen sieht.
Dann steht er scheu am Ufer und schaut ihr zu,
wie sie durch das Flussbett watet.
Als er ihr aus dem Wasser hilft:
ein Hauch von Lucky Strikes in ihrem Atem.
Und das war, bevor alles geschah.
Der Ford Fiesta quält geräuschvoll sich voran
in Richtung Horizont.
Aus dem Radio tönt blechern und verzerrt
die Stimme von Jim Morrison.
Auf der Rückbank spielen zwei Hände in der Luft
auf einem unsichtbaren Drumset
und vorn versucht wer zu verstehen,
wie man die Frankreichkarte auseinander faltet.
Ein junger Mann geht ohne ein bestimmtes Ziel
über das alte Flugfeld,
wo bunte Drachen ihre wirren Kreise ziehen
vor einem abendblauen Himmelszelt.
Dann stellt er sich kurz vor, wie hier wohl einst
die Flugzeuge wegflogen. Er schaut sich um und
rennt dann, so schnell er kann, die Startbahn runter
den Blick nach oben, die Arme weit
zu Flügeln ausgebreitet, doch
er schlingert, stolpert und fällt hin
und reißt in jedes Hosenbein ein großes Loch
und als er dann umständlich aufsteht, wie benommen,
denkt er sich: endlich angekommen.
Und das war, bevor alles geschah.
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3. |
Schlafanzug im Wind
03:25
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In mir ist eine Leere,
die ist größer als ein Weltmeer,
doch ich stehe hier am Ufer
und ich seh den Schiffen zu.
In mir ist eine Liebe,
die ist größer als ein Gletscher
und sie kommt dir ein paar Millimeter
näher jedes Jahr.
Und ich vergesse, was ich gelernt hab,
ich verspiel eine Handvoll Talent,
ich verliere, woran ich glaube,
ich steh in meinem Schlafanzug im Wind.
In mir ist eine Neugier,
die brennt heller als Raketen,
sie erglüht ein paar Sekunden,
sie sprüht Funken und geht aus.
Denn in mir ist eine Trägheit,
die hält mich wie ein Magnet
an all den Zweifeln und den Geheimnissen
unter meiner Haut.
Und in mir ist eine Sehnsucht,
die rennt schneller als ein Rennrad
durch die Straßen und die Gassen,
doch sie findet nie ihr Ziel.
Denn wenn ich ehrlich bin, dann will ich
eigentlich gar nirgends ankommen,
damit ich immer glauben kann,
dass es noch etwas Besseres irgendwo da draußen gibt.
Und ich vergesse, was ich gelernt hab,
ich verspiel eine Handvoll Talent,
ich verliere, woran ich glaube,
ich steh in meinem Schlafanzug im Wind.
Und in mir liegt eine Angst begraben
vor den dunkelblauen Stunden und Tagen
und vor den Dingen, die vergangen sind
und doch niemals vergehen.
Und ich vergesse, was ich gelernt hab,
ich verspiel eine Handvoll Talent,
ich verliere, woran ich glaube,
ich steh in meinem Schlafanzug im Wind.
Ich verlasse das Haus meiner Eltern,
ich hör sie sagen, du bleibst unser Kind.
Aus einem Feldhasen wird eine Taube,
ich steh in meinem Schlafanzug im Wind.
In mir ist eine Schwere,
die ist schwerer als ein Schwertwal,
doch ich zieh auf seinem Rücken
meine Kreise auf dem Meer.
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4. |
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Die Welt, so wie sie ist,
ist viel zu grau
und so werf ich meine Wörter
bunt wie Farbenkleckse auf die Wände drauf.
Und die Welt ist so erstarrt
und eingestaubt
und so pust ich meine Träume
pusteblumenmäßig in die Welt hinaus:
So wie es ist,
kann es nicht bleiben.
Ich will Lieder über Frieden
auf Kanonenrohre schreiben.
Und ich wollte dir nur sagen:
ich werd dich tragen, wenn du müde bist.
Die Welt, so wie ist,
ist so zerteilt,
weil jeder Angst hat, dass wer anders
ihm das bisschen Glück entreißt.
Und dass sich irgendwas verändert
an unseren goldenen Tellerrändern.
Geh, vergrab das Tafelsilber
bei der Eiche hinterm Haus.
Und lauf, lauf,
die Untoten stehen reihenweise auf.
Lauf, denn wenn sie dich einholen,
weißt du genau:
das haben wir verdient.
So wie es ist,
kann es nicht bleiben.
Ich will Lieder über Liebe
auf Reklametafeln schreiben.
Und ich wollte dir nur sagen:
ich werd dich tragen, wenn du müde bist.
Die Welt, so wie sie ist,
wird untergehen,
wenn wir weiter mit den Händen
in den Hosentaschen rumstehen.
Und wenn wir alle hier so leben,
als würde es 20 Erden geben
und als wär noch jede Menge
Zeit.
So wie es ist,
kann es nicht bleiben.
ich will Lieder gegen Krieg
auf jede Einkaufstüte schreiben.
Und ich wollte dir nur sagen:
Ich werd dich tragen, wenn du müde bist.
Ich werd dich tragen, wenn du müde bist.
Wenn du müde bist.
Wenn du müde bist.
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5. |
Es wird nicht passieren
03:23
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Du stehst auf einem Dach
und hast die Arme gestreckt
und wartest drauf,
dass dich der Wind davonträgt.
Es wird nicht passieren.
Du sitzt in deinem Zimmer
und du starrst an die Wand,
denn neulich hast du in den Mustern der Tapete
eine Antwort erkannt
auf alle Fragen in dir.
Du bist konzentriert,
doch es wird nicht passieren.
Und schon als Kind
sagte man zu dir:
Was soll nur aus dir werden?
Was machen wir mit dir?
Wir machen uns doch Sorgen
um unser Sorgenkind.
Und hältst du bitte still,
bis deine Schuhe gebunden sind.
Du stehst in deinem Keller
vor dem rostigen Rad
und du fragst das Rad,
warum es nicht mehr Rad fahren mag,
doch es steht nur und starrt.
Und so stehst du vor dem Rad
und gestikulierst
und du hoffst, dass es die verzweifelten Zeichen
irgendwie kapiert,
doch es steht nur und stiert
aus leblosen Lichtern in dein Gesicht.
Und schon als Kind
sagte man zu dir:
Was soll nur aus dir werden?
Was machen wir mit dir?
Wir fragen uns doch ständig,
wie man dir helfen kann.
Schaffst du das denn alleine?
Bleib noch an meiner Hand.
Dir wird nichts passieren.
Dir wird nichts passieren.
Es wird nichts passieren.
Es wird nicht passieren.
Du stehst in deiner Küche
vor dem alten Geschirr
und du hoffst, dass die Bakterien
die Schimmelpilze eliminieren
und dich gleich mit -
barfuß auf den Fliesen stehend
und frierend -
doch es wird nicht passieren,
es wird nicht
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6. |
Herzemoticon
03:01
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Ich schlafe ein und wache auf als Displayglas
auf deinem Handy, weil ich deine Hände so mag,
und wenn du dann elektronische Nachrichten schreibst,
kommen wir uns näher, wir zwei.
Ich schlafe ein und wache auf als Kamera
in deinem Handy, weil ich deine Augen so mag,
und wenn du dann ein Foto schießt von deinem Gesicht
siehst du mich endlich an.
Herzemoticon,
Herzemoticon,
Herzemoticon,
gesendet, zugestellt, gelesen.
Ich schlafe ein und wache auf als Mikrofon
in deinem Handy, denn ich find deine Stimme so schön
und immer, wenn du mit irgendwem telefonierst,
dann bin ich hier und hör dir zu
und denk mir, wow, du bist so klug, so klug wär ich gern auch.
Herzemoticon,
Herzemoticon,
Herzemoticon,
gesendet, zugestellt, gelesen.
Ich schlafe ein und wache auf als Ladegerät
von deinem Handy und du musst los, denn es ist schon spät,
doch ich lieg hier, etwas versteckt
unter deinem Bett.
Und du wühlst dich durch das Chaos im Zimmer
und du rufst, wo ist das blöde Ding nur?
Und du fluchst und kniest
den Tränen nahe nieder.
Doch aus dem Augenwinkel siehst du mich,
du ziehst mich an dich,
hältst mich fest und lachst mich an und sagst:
Ohne dich schaff ich's doch niemals durch den Tag.
Herzemoticon,
Herzemoticon,
Herzemoticon,
gesendet, zugestellt, gelesen.
Mein Handywecker weckt mich auf,
es sind null neue Nachrichten drauf
und es ist alles nur ein Traum gewesen.
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7. |
Schachtelsätze
02:37
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Ich bastel mir ein Boot
aus alten Briefen,
die du mir einmal schriebst
vor vielen Jahren.
Und dann fahr ich übers Meer
für eine Zeit
und warte, bis die Tinte
im Papier verbleicht.
Ich bastel mir ein Haus
aus Schachtelsätzen,
die wir einst ausgetauscht
in langen Nächten.
Und wenn die Wolken kommen,
kriech ich hinein
und warte, bis der Regen
die Kartonwände durchweicht.
Ich fülle einen Ballon
mit deinem Lachen,
so wie's manchmal erklingt
in meinem Kopf.
Und dann schweb ich übers Land
für eine Zeit
und warte, bis die Luft durch
einen kleinen Riss entweicht.
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8. |
Himmelskörper
02:47
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Nur dein Atem,
sonst kein Geräusch,
wie wir liegen
in der Dunkelheit:
Himmelskörper ohne Himmelszelt.
Und ohne Halt
im leeren Raum.
Immer weiter weg,
ich seh dich kaum.
Seh, was wir waren
nicht, was wir sind.
Wir sind gerannt
auf unserem endlosen Weg,
haben uns durchs Dickicht gezwängt
und auf die Fresse gelegt.
Haben uns in Gräben verschanzt
und uns in Wäldern verirrt.
Sind über Brücken gewankt,
haben tiefste Flüsse durchquert.
Waren außer Atem,
sonst kein Geräusch.
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9. |
Ich packe meine Koffer
03:35
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Ich packe meine Koffer,
doch das meiste lass ich hier.
Die alten Schuldgefühle
und das Bild von dir.
Das ich so lang versteckt hielt, vor mir selbst,
in einer Kiste unterm Bett.
Ein letzter Blick in deine Augen
und dann werfe ich es weg.
Ich packe meine Koffer,
ich geh auf große Fahrt,
ich komme nicht mehr wieder,
ich möchte bleiben, wo ich noch nie war.
Ich packe meine Koffer,
doch das meiste lass ich stehen.
Mit all dem Zeug in meinem Herzen
kann ich nicht weiter gehen.
Die unfrankierten Liebesbriefe,
alles, was ich jemals bereut –
ich fackel alles ab und lache mit dem Wind,
wie er die Asche zerstreut.
Ich packe meine Koffer,
ich geh auf große Fahrt,
ich komme nicht mehr wieder,
ich möchte bleiben, wo ich noch nie war.
Ich seh ein helles Leuchten,
da, wo die Städte sind.
Ich packe meine Koffer,
bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.
Sind alle da?
Ich trag euch fort mit mir,
in meinen Armen
dorthin, wo ich noch nie gewesen bin.
Es sind Sterne zu sehen,
als ich draußen steh.
Und alles so still,
in mir, überall.
Ich wart noch einen Moment,
bevor ich meine Koffer nehm
und leise im Dunkel verschwind.
Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.
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10. |
Falten
03:15
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In meiner Haut sind Falten,
die gehen da nie mehr raus,
die werden tiefer und vermehren sich,
irgendwann zehren sie mich auf.
In meinem Herz sind Löcher,
die krieg ich nie mehr zu,
die stehen wie hundert Münder offen
und fragen leise, wo bist du.
Und ich drehe mich in Kreisen,
ich vergrab mein Gesicht
und schreibe, bis die Feder bricht.
Und meine Lieder, die sind leise,
denn ich trag ein Gewicht in mir,
auf jeder Zeile, die ich sing.
In meinem Kopf sind Bilder,
die lösen sich nicht auf,
die kleben wie Fototapeten
an jeder Wand und ich schau drauf.
Und in meinem Ohr sind Stimmen,
die flüstern unentwegt
und summen Abschiedslieder,
wenn ich mich schlafen leg.
Und ich drehe mich in Kreisen,
ich vergrab mein Gesicht
und schreibe, bis die Feder bricht.
Und meine Lieder, die sind leise,
denn ich trag ein Gewicht in mir,
auf jeder Zeile, die ich sing.
In meinem Knochenmark halt ich
den Glauben, dass es gut wird
und dass Wunden zu Augen werden,
die tief hineinschauen, in eine Ewigkeit.
Und wenn es nichts und niemand gibt,
der uns in seinen Händen hält,
stehen wir doch nebeneinander hier,
als der Schein erlischt
und der letzte Vorhang fällt.
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Josias Ender Berlin, Germany
Josias Enders Musik vereint feinsinnige Texte mit kleinen und großen Melodien, vorgetragen von jungenhaftem und zugleich kratzig-sanftem Nebelgesang. Dazu erklingt eine Gitarre, die in ihrer zugewandten Melancholie eine ganz eigene Stimme erhält – und in den lauten Momenten eine Ladung akustischen Indie-Rock auf die Bühne bringt. ... more
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